Dienstag, 22. April 2014

Die Tragödie vom Karlseck am Bosruck


Es ist schon sehr lange her, da wurde von Zeit zu Zeit eine weiße Gemse in den Felsen am Bosruck gesichtet. Immer wieder bemühten sich Jäger dieses seltene Wild zu erlegen. Keinem gelang es und einige büßten die Jagd auf die weiße Gemse mit ihrem Leben. Die Gemse, so erzählte man sich, lockte die Jäger in steilste Felswände von wo sie kaum zurück fanden, einige stürzten ab und konnten nur mehr tot geborgen werden.
Günther, ein Jäger des Stiftes Admont saß einmal am Karlseck, zu dem man über den Arlingsattel aufsteigt, als er durch sein Fernglas in den Felsen der Südwand etwas Weißes huschen sah. Vorsichtig stieg Günther in die Wand ein und sah auf einer Felsnase die weiße Gemse stehen. Bevor er jedoch zu  seinem Gewehr greifen konnte war das Tier verschwunden und tauchte etwas später ein Stück weiter weg wieder auf. Das Jagdfieber hatte ihn gepackt und er folgte der Gemse über Geröll und Felsen bis unter seinen Füßen ein Stein wegbrach und er sich nur mehr in eine  kleine Höhle retten konnte, aus der es nicht mehr möglich war, sich zu befreien. Das Gewehr und ein Teil seiner Ausrüstung kollerte die steile Felswand hinunter. In dieser Höhle lagen viele gebleichte Knochen von Gemsen. Ein Gemsenfriedhof wie ihn noch nie ein Jäger vorher gesehen hatte. Es schien, als hätte die weiße Gemse den Jäger absichtlich dorthin gelockt. Alle Bemühungen Günthers, sich durch Schreie und Steine die Felswand hinunter werfend bemerkbar zu machen, scheiterten. Endlich nach langer Zeit hörte ein Halterbub von einer Almhütte seine Schreie und rannte nach Ardning um beim  Förster Hilfe zu holen.
Tagelang bemühten sich Jäger und Holzknechte mit Seilen dem Unglücklichen näher zu kommen. Es war alles umsonst.
Als alle Rettungsaktionen scheiterten zog eine Bittprozession den alten Wallfahrerweg, der von Oberösterreich über den Arlingsattel nach Maria Frauenberg führt, in Richtung Bosruck. Voran die Kirchenfahnen dahinter der alte Priester mit der Monstranz. Dann die Dorfbewohner laut betend und zuletzt der Förster mit den Jägern.
Der einsame, gefangene Jäger in der Felshöhle, der schon fast wahnsinnig war und alle erdenklichen Leiden durchmachen musste, hatte durch einen mit einem Stein beschwerten Zettel, den er die Felswand hinunter warf, die Jäger bitten lassen sie sollen ihn abschießen bevor er gänzlich dem Irrsinn verfalle.
An einer geeigneten Stelle wurde ein kleiner Steinaltar errichtet. Gebete und Lieder erklangen aber auch lautes Weinen drang zu dem hoch oben in der Felshöhle knieenden Jäger. Die Jäger trachteten so nah als möglich an den Unglücklichen heranzukommen, legten ihre Gewehre an und auf ein Kommando des Försters zerriß eine Salve die Luft, vermischt mit dem Aufschrei eines zu Tode getroffenen Menschen. Günther stürzte kopfüber in die Tiefe.

Diese uralte Geschichte vom Karlseck am Bosruck, die angeblich ein Wilderer bei seiner Haft im Kreisgericht Leoben aufgeschrieben hat, ist in den  Aufzeichnungen "Heimatbilder" aus Spital am Pyhrn von Emmerich Grillmayr nachzulesen.

Arlingsattel



Am 28.2.1918 erlegte Bertl Windscheck am Nickerberg
 in Hinterstoder eine weiße Gemse

   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen