Samstag, 11. Juli 2015

Der schlaue Wildschütz


Eine alte Sage erzählt: In der Pfarre Hinterstoder (damals Innerstoder), tief im Wald versteckt, wohnte ein äußerst verwegener Wilderer; sein Name war Hias. Er hatte eine kleine Hütte und einen Gehilfen. Außer seinem Kugelstutzen (Gewehr) und seinem Hirschfänger (Jagdmesser) nannte er nicht viel sein Eigen. Dafür hatte er desto mehr List und Kühnheit.
Als er einst seinem gewohnten Handwerke nachging und in einem Dickicht seine Jause essen wollte, erschien ihm der Teufel in Gestalt eines schwarzen Jägers. Er überredete ihn, ihm  Leib und Seele zu verschreiben. Dafür wollte er ihm versprechen, dass er kein Ziel mehr verfehle und sich in einen Baumstock verwandeln könnte. Dem Hias gefiel das außerordentlich, er willigte ein, doch stellte er die Bedingung, der Teufel könne ihn nur  von 12 Uhr bis 1 Uhr nachts in 20 Jahren, aber nur am Jahrestage holen. Der Teufel, dem das recht war, verlangte vom Hias die Unterschrift mit dem eigenen Blut und verschwand wieder, als der Wildschütz diese Bedingung erfüllte.
Der Hias war jetzt Herr im Walde, kein Schütze kam ihm gleich! Der Jäger konnte ihm nichts anhaben. Er konnte sich augenblicklich in einen Baumstock verwandeln. So trieb er es volle 20 Jahre so arg, dass ihn alle Jäger von nah und fern fürchteten.
Endlich war die Zeit um und der Tag der Höllenfahrt war da. Da kam der Hias auf einen Gedanken, den er auch ausführte. Um 11 Uhr nachts ging er mit seinem Knecht in den Wald, an den vor 20 Jahren bezeichneten Ort und nahm ein Stück Kreide und Weihwasser mit. Schnell verwandelte er sich in einen Baumstock. Der Knecht mußte auf den Baumstock mit Kreide drei Kreuze machen und denselben mit Weihwasser begießen. Als die Mitternachtsstunde schlug, erschien freudig der Teufel, den schon nach der Seele des Hias lüsterte. Bis 1 Uhr wütete er vor dem gesegneten Baumstock und mußte endlich wieder allein abziehen, voll Zorn und  Enttäuschung.
Aus Oberösterreichische Volkssagen, Kajetan Alois Gloning, Hofbuchhandlung Linz 1912


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